Es war immer ein kleiner Traum mal einen Blick in das letzte verbleibende kommunistische Land der Welt zu werfen, schließlich befinden wir uns mit unserem momentanen Wohnsitz relativ nahe!
Nun soll es soweit sein! Nachdem vorher schon mal von der Grenzzone Südkoreas Blicke nach Nordkorea geworfen wurden, entern wir diesmal die Grenze!
Natürlich ist uns das nur angemeldet und als Gruppe möglich und es sieht so aus, das hier „Besichtigungstourismus“ bereits seit einigen Jahren und nur mit wenigen Anbietern stattfindet.
Unsere Tour geht per Flug nach Shenyang (7.11), von dort per Zug nach Dandong (8.11), der chinesischen Grenzstadt zu Nordkorea. Viele hauptsächlich chinesische Touristen kommen hierher um an der Freundschaftsbrücke, die nur noch zur Hälfte steht, mal einen Blick nach Korea zu werfen.
Wir treffen uns mit unserer Reisegruppe (3x20 Personen, alles westliche Touristen) vor dem Bahnhof in Dandong. Hier werden zunächst alle Formalitäten geklärt und uns unser Visum ausgehändigt.
Schon mal vorab erwähnt werden wir an allen Kontrollen sehr lange warten!
Alles braucht seine Zeit, will kontrolliert sein und läuft nach Plan,- nordkoreanischem Plan!!!
Ausreiseprozedur in China, Einsteigezeit in den Zug gen Nordkorea und kaum bist du losgefahren, stoppt der ganze Zug bereits wieder in Sinŭiju für die Einreiseprozedur auf der anderen Seite des Yalu Flusses.
3 Stunden besuchen diverse Grenzpolizisten die Abteile um alles Mögliche zu checken.
Diverse Papiere, Reisepässe, elektronische Geräte, Fotos, Gepäck etc., scheinbar gibt es für jedes kleine Aufgabengebiet einen eigenen Polizisten. Die Strenge, die man aus Besuchen anderer
kommunistischer Länder kennt, ist hier mit Freundlichkeit und sogar Neugier und Interesse ersetzt. Nur dauert das Ganze scheinbar endlos!
Und siehe d,…oh Wunder!
Kaum sind die Pässe gescheckt, tauchen auf dem Bahnsteig nett gekleidete Damen mit Getränkewagen auf um Spirituosen und Sonstiges zu verkaufen.
Wahrscheinlich um die Wartezeit zu versüßen! Unser Zug trinkt gern, stellen wir fest und noch während die Grenzpolizisten alles Mögliche checken, verwandelt sich die Zuggemeinde in eine
Partygemeinde,- na sauber!!!
5h zuckelt der Zug anschließend durch Land und Leute bis wir schließlich Pjöngjang, die Hauptstadt erreichen.
Die Umgebung entlang der Zugstrecke entbehrt jeder Industrie und wir sehen Natur pur, Felder, Feldwege als Straßen und fahrradfahrende oder
karrenziehende Landbevölkerung.
Autos sind hier Fehlanzeige! Hier gibt es Natur pur!!! Die Bahnhöfe und den Gleisen angrenzende Wohngebiete sind bunt gestrichen und definitiv „zur Besichtigung“
instand gesetzt.
Das Fotografieren an Bahnhöfen ist verboten!
Pjöngjang erreichen wir dann bei eingehender Dunkelheit. Im Bus begleitet von 2 landestreuen Reisebegleitern fahren wir durchs nächtlich beleuchtete neue Ryomyong Viertel (Viertel der Morgenröte) vorbei am Arc de Triumphe (größer als der in Paris), am beleuchteten Prestigeobjekt Hotel Ryugyong (Bau seit ´87, 337m hohe Ruine, nie fertiggestellt) und den Denkmälern von Kim Il Sung & Kim Jong Il (= Großmonument Mansudae) zu unserem ersten Abendessen und anschließend zum Hotel.
Die Hotelhalle wirkt prunkvoll, besitzt 2 Hotelbars mit schön gekleidetem Personal, die Zimmer haben deutschen 50ger Jahre Stil mit „Feuchtgeruch“. TV und großer Kühlschrank stehen als Attrappe ohne Steckdose im Zimmer. Schlafen tun wir gut!
9.09.18
Heute ist der Tag der Tage!!!
Nach einem guten Frühstück geht’s los zum Wohnhaus mit Park der früheren Präsidentenfamilie! Bereits einige Besuchergruppen sind schon vor uns hier und wir spazieren durch den umliegenden netten Park mit Ausblick vom Berg auf die Stadt.
Dann Planänderung,- für Schießfreunde geht es an die Schießanlage, damit war nun gar nicht zu rechnen. Während andere endlich mal zum Schuss kommen besuchen wir das angrenzende schön zwischen Grün gelegene Restaurant.
Der folgende Supermarkt mit Luxusgütern sowie nordkoreanischen Produkten scheint dann wieder im Plan zu sein. Eine große Menge an Reisegruppen steht Schlange um Geld zu wechseln. Nordkoreanische Währung darf hier wohl das einzige Mal in den Händen gehalten werden, sofern man in der kurzen Zeit auch wirklich dazu kommt, zu wechseln und zu shoppen. Da wir von vornherein „den Wahnsinn“ erkennen, laufen wir eine kurze Runde im 4 stöckigen Markt und vergnügen uns dann mit Gucken auf dem angegliederten Essensmarkt. Wie wir, tun es wohl auch viele Nordkoreaner, hinsetzten und Fremde gucken!!!
Wir wissen nicht warum, erfahren jedoch das wohl das Programm der jeweiligen Touristengruppen spontan bestimmt wird und erfahren, dass selbst die Reiseführer nicht wissen, was zum jeweiligen Tag für die jeweilige Gruppe bestimmt ist. Dieses Gefühl zieht sich durch den ganzen Tag und so wissen wir noch kurz zuvor nicht, ob wir Karten für die am Abend nach 5 Jahren zum ersten Mal wieder aufgenommenen Massgames erhalten werden.
Es folgt das Mittagessen und dann im Galopp zur Militärparade, von der wir gerade noch die letzten 5 Minuten sehen. Eindrucksvoll sind die schönen, strahlenden Gesichter der Teilnehmer und der festlich gekleideten Stadt/ Landbesucher. Ob man „schön Schauen“ trainieren kann oder die Freude über das Ereignis so enorm ist???
Schließlich am Nachmittag kommt dann die freudige Botschaft, wir werden die Massgames besuchen, also kurz zurück zum Hotel, umziehen und Versammlung auf einem Riesenparkplatz unter Aufsicht, was uns wieder 3-4 Stunden Wartezeit in Reih und Glied mit anderen Reisebussen einhandelt. Nun sind bereits auch unsere Landesreiseführer durchgeschwitzt und sichtlich aufgeregt. Hier wird jeder einzelne Teilnehmer durchleuchtet Fotos und Kameras oder Handy sind selbstverständlich auf den Games strengstens verboten.
Mit dem Bus geht es zum Rungrado 1st of May Stadion, dass ein offizielles Fassungsvermögen von 150 000 Besuchern hat und damit größtes Multistadium der Welt ist. Hier fand im September 2018 der interkoreanische Summit statt, heute erfolgt nun die Wiederaufnahme der Massgames.
Wir nehmen auf den reservierten Plätzen unseren Sitz ein und allein schon die Menge an Publikum ist berauschend. Wir blicken auf eine Riesenwand an dargestellten Symbolen und Bildern Nordkoreas, die alle gefühlten 2 Minuten wechselt. Die „Wand“ besteht aus 20 000 Koreanern, deren Handschild ständig wechselt woraus sich ein neues Bild ergibt, der Sound ist entsprechend.
Das Publikum ist ein Meer an dunkelfarbigen Köpfen, alle bunt und festlich gekleidet. Der Sound des Klatschens ist enorm.
In der Arenas wird nun allerlei sportliche Akrobatik dargeboten, beim Überschlagen der Akrobaten und Sportler kommen wir unabhängig voneinander auf ca.1000- 1500 Darstellenden pro Auftritt. Ingesamt sehen wir über 60 000 Darsteller. Ähnlich wie unsere Bilderwand findet auch hier ein fliegender Wechsel statt, nur vielleicht nicht ganz im 2 Minuten Takt. Eigentlich weiß man gar nicht, wo man hinsehen soll und das Gesamtbild lässt sich nur schwer einfangen aber eines passt: „ mach den Mund wieder zu“, das ist echt!
Die Massgames waren und sind „das Sportereignis“ Nordkoreas. Viele der Besucher, auch unserer Gruppe, sind international von überall extra deswegen dieses Wochenende nach
Nordkorea gereist.
Ausnahme: wir! Wir sind nämlich eigentlich „nur zufällig“ hier! J So ein Geschenk!
Sogar der aktuelle Präsident Kim Jong-un ist hier, allerdings konnten wir ihn nicht unter all den schwarzen Haarschöpfen entdecken.
Auf dem Rückweg zum Bus gibt’s dann noch ein kurzes Stelldichein mit der ARD, die wohl am selben Tag abends noch in Deutschland davon berichten will und was noch spannender ist, einige Blicke in die internationalem diplomatischen Limousinen der Vertretungen Nordkoreas. Zumindest Venezuela und Afrika reist mit einer echt uralten Mercedesklasse an, die man bei uns wahrscheinlich schon nicht mehr findetJ.
Wie könnte ein solcher Abend schöner sein als ihn mit Karaoke zu beenden und wenn wir schon in China kaum singen gehen, dann tun wir es eben hier…! In kleinem gehobenem Kreis inklusive unseres feierfreudigen englischen Reiseleiters singen wir uns noch zu 5t die Seele aus dem Leib, inklusive Bühnenshow. Ein Riesenspaß…vor allem die schöne alte Joystick Musikanlage mit samt dem antiken Songbook!
10.09.18
Sonntag heute oder was??? Och nö…! Montagmorgen!
Auf menschenleeren Straßen fahren wir zu einem Buchladen, um noch Propagandaposter selbstgemalt oder Staatsliteratur erwerben zu können. Wer auf die Straße geht,
um ein Foto zu machen wird sofort vom dortigen Straßenpolizisten per Trillerpfeife von der Straße gepfiffen.
Klar, Unfallgefahr! Man könnte überfahren werden!!
Gebührender Abschied aus der Stadt wird der Besuch des Mansudae Denkmals!
Wir werden bereits auf der Hinfahrt eingeschworen wie man sich hinsichtlich der Denkmäler zu verhalten hat. Dort angekommen stehen wir Reih und Glied zur Verneigung. Diese Ehrerbietung ist die
unseres Reiseführers und weniger die von uns Ausgesuchte, wie in Dokus häufig beschrieben.
Die einstigen stalinistischen Diktatoren haben hier tatsächlich Götterstatus, anders kann man es nicht beschreiben.
Das Mansudae Monument dient zur Erinnerung an die Unabhängigkeitsbewegung gegen die japanische Herrschaft über Korea “ und gilt als die bedeutendste Stätte des Personenkults.
Als 20m hohe Bronzefigur zeigt sich Kim-Il Sung (1948-1997), der „große Führer und ewige Präsident“. Neben ihm wurde nachträglich die zweite gleichhohe Bronzefigur errichtet, die
seinen Sohn Kim Jong Il (1994-2011) den „ewigen Generalsekretär und Vorsitzenden des nationalen Verteidigungskomitees“ darstellt.
Rechts und links eingerahmt werden die Beiden von je 119 Freiheitskämpfern des „Freiheitskampfes des Volkes“.
Der jetzige Führer Kim Jong Un ist der 3. Sohn des Kim Jong Il und seit 2012 offiziell oberster Führer der „Demokratischen Volksrepublik“. Ihn gibt es noch live…!
Nach unserem Besuch des Doppelmonuments geht’s wieder rein in den Zug und zurück, erneut im Schneckentempo mit derselben Prozedur an der Grenze!
Das war ein Einblick nach Nordkorea!
Könnten wir so reisen wie wir wollten, würden wir sicherlich wieder nach Nordkorea.
Beeindruckend bleibt die Industriefreiheit, die Autofreiheit und die damit beeindruckende Natur, die hier vielleicht noch vorzufinden ist! Oder eine Phantasie davon?
Beindruckend (oder bedrückend) auch, wie man wirklich hier noch „hinter gemachten Mauern“ lebt.
Apropos Mauer!!!
Wir übernachten ein weiteres Mal in Dandong und besichtigen am nächsten Tag (11.09.18) das hier gefundene Teilstück der chinesischen großen Mauer. Auch hier nochmal ein paar letzte Blicke in Richtung Nordkorea, bevor uns der Flieger am Abend wieder nach Hangzhou bringt.